Im modernen Cannabisanbau ist es längst nicht mehr nur das Ziel, eine Pflanze zum Blühen zu bringen – vielmehr geht es darum, Ressourcen gezielt zu steuern, Qualität zu standardisieren und das Maximum aus Licht, Raum und Genetik herauszuholen. Eine der wirkungsvollsten, zugleich oft unterschätzten Maßnahmen dafür ist das sogenannte Lollipopping.

Der Begriff stammt aus der Bildsprache: Eine Lollipopped-Pflanze erinnert an einen Lutscher – mit kargem, freigelegtem „Stiel“ und einem dichten „Kopf“ aus Blüten an der Spitze. Konkret bedeutet Lollipopping das gezielte Entfernen aller unteren Triebe, Blätter und potenziellen Blütenansätze, die ohnehin nicht ausreichend Licht erhalten würden.

Die Idee dahinter: Anstatt Energie auf viele kleine, lichtarme „Popcorn Buds“ zu verschwenden, lenkt die Pflanze ihre Kraft gezielt in die oberen, gut belichteten Buds. Das Ergebnis sind oft:

  • kompaktere Hauptblüten
  • höherer Wirkstoffgehalt pro Gramm
  • leichter zu verarbeitende Chargen
  • und geringeres Schimmelrisiko.

In den folgenden Abschnitten erfährst du, wann und wie Lollipopping optimal durchgeführt wird, welche Fehler man vermeiden sollte – und wie sich die Methode ideal mit anderen Techniken wie dem Scrogging oder der digitalen Dokumentation kombinieren lässt.

Warum Lollipopping sinnvoll ist

  1. Energieverlagerung in die Hauptbuds

Die Cannabispflanze produziert auch in unteren Bereichen Blütenansätze – doch dort fehlt es häufig an direktem Licht, wodurch die Blüten klein, fluffig und minderwertig bleiben. Diese „Popcorn Buds“:

  • verbrauchen unnötig Energie,
  • verlängern die Ernte- und Manikürezeit,
  • und bringen kaum verwertbare Qualität.

Durch das gezielte Entfernen dieser unteren Triebe konzentriert sich die Pflanze auf die oberen Buds, die durch bessere Belichtung und Luftzirkulation deutlich ertragreicher sind. Studien und Erfahrungswerte aus dem Indoor- und medizinischen Anbau zeigen, dass Lollipopping den Wirkstoffgehalt und die Kompaktheit der Blüten deutlich verbessern kann.

  1. Schimmelprävention durch bessere Luftzirkulation

Blätter und Triebe im unteren Bereich bilden häufig dichte Mikroklimazonen, in denen sich Feuchtigkeit stauen kann – ein idealer Nährboden für:

  • Botrytis (Edelfäule),
  • Mehltau,
  • oder andere Pilzkrankheiten.

Lollipopping reduziert diese Zonen drastisch, indem der Luftraum unterhalb der Hauptkrone geöffnet wird. Das sorgt für:

  • bessere Belüftung,
  • schnellere Trocknung nach Bewässerung,
  • und insgesamt mikrobiologisch sicherere Chargen.
  1. Erleichterung bei Pflege, Ernte und Inspektion

Weniger unteres Blattwerk bedeutet:

  • leichtere Sichtkontrolle auf Krankheiten und Schädlinge,
  • einfacheres Entlauben oder Düngen von oben,
  • und weniger Aufwände bei der Ernte – da kein Ausschussmaterial aussortiert werden muss.

Insbesondere medizinische Betriebe oder ein Cannabis Social Club mit hohem Dokumentationsaufwand profitieren von dieser strukturellen Vereinheitlichung der Pflanze.

Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Lollipopping?

Die Wahl des richtigen Zeitpunkts für das Lollipopping ist entscheidend – sowohl für die Pflanzenentwicklung als auch zur Vermeidung unnötigen Stresses. Generell gilt:

  1. Vor Einleitung der Blütephase (Fotoperiodische Sorten)

  • Idealer Zeitpunkt: Spätestens eine Woche vor Umstellung auf 12/12 (Blütephase).
  • Begründung: In dieser Phase befindet sich die Pflanze am Ende der vegetativen Entwicklung und kann auf Eingriffe noch gut reagieren.
  • Ziel: Die Pflanze soll ihre Energie in die oberen Triebe lenken – bevor der Stretch beginnt.

Tipp: Wer das Lollipopping zu spät vornimmt (z. B. in Woche 3 der Blüte), riskiert Wachstumsstörungen, weil die Pflanze ihre Ressourcen bereits verteilt hat.

  1. Automatische Sorten (Autoflowers)

  • Autoflowering-Strains haben keine klar definierte Umstellung zur Blüte – hier ist Timing besonders sensibel.
  • Das Lollipopping sollte sehr vorsichtig und nur in der frühen Wachstumsphase erfolgen, z. B.:
    • nach dem 3. oder 4. Blattpaar,
    • oder in Woche 3–4 nach Keimung.
  • Faustregel: Minimal-invasiv arbeiten – bei Autoflowers ist weniger oft mehr.
  1. Scrogging und andere Trainingsmethoden

Beim Scrogging (Screen of Green) oder bei Mainlining wird Lollipopping oft in Kombination durchgeführt:

  • Vor oder parallel zum Stretch
  • Nach dem Einflechten der Triebe ins Netz (Scrog)
  • Ziel: Klar definierte, lichtdurchflutete Blütenebene

Zusammengefasst:

Sortentyp Empfohlener Lollipop-Zeitpunkt Hinweise
Fotoperiodisch 1 Woche vor 12/12 Pflanze kann sich noch gut erholen
Autoflowering Woche 3–4 nach Keimung (max. leicht) Nur sehr sanft eingreifen
Scrog/Mainline Vor Blüteeinleitung / nach Netzaufbau Lollipopping als Teil des Gesamtkonzepts

So funktioniert Lollipopping – Schritt für Schritt

Lollipopping ist eine gezielte Technik zur Entlastung der unteren Pflanzenteile und zur Fokussierung der Energie auf hochwertige Blüten im oberen Bereich. Die Umsetzung erfordert etwas Fingerspitzengefühl – aber mit der folgenden Anleitung gelingt der Einstieg:

  1. Werkzeug vorbereiten

  • Scharfe, saubere Schere oder Trimmer (z. B. gebogene Bonsai-Schere)
  • Desinfektionsmittel (z. B. Isopropanol) zur Vermeidung von Infektionen
  • Optional: Nitrilhandschuhe, um Harzablagerungen an den Fingern zu vermeiden
  1. Bereich definieren: Wo endet die Lichtzone?

  • Faustregel: Alles, was kein direktes Licht bekommt, wird entfernt.
  • Hilfreich ist es, mit einer Taschenlampe von oben zu leuchten – die Schattenzone am Stamm markiert den Bereich, der ausgedünnt wird.
  • Ziel: Eine klare Trennung zwischen produktiver Oberzone und freier Unterzone.
  1. Blätter und Triebe in der Schattenzone entfernen

  • Entferne zuerst große Fächerblätter, die kein Licht erhalten oder andere Bereiche verdecken.
  • Danach:
    • Kleine, spindelige Triebe (sog. „Popcorn Bud Sites“)
    • Untere Seitentriebe, die nicht bis ins Licht reichen
  • Nicht zu viel auf einmal – lieber in zwei Etappen (z. B. an zwei aufeinanderfolgenden Tagen)
  1. Symmetrisch und sortenspezifisch arbeiten

  • Vermeide es, eine Seite der Pflanze radikal zu entlauben und die andere stehen zu lassen – das kann zu hormonellen Ungleichgewichten führen.
  • Manche Genetiken (z. B. OG Kush, Amnesia) vertragen aggressiveres Lollipopping, andere (z. B. Afghani) eher vorsichtig behandeln.
  1. Stressreaktionen beobachten

  • Nach dem Eingriff ist Cannabis meist 1–2 Tage „ruhiger“ im Wachstum – das ist normal.
  • Symptome wie hängende Blätter oder verlangsamtes Wachstum sollten sich nach 48 h zurückbilden.
  • Bei starker Reaktion: Zusätzliche Beleuchtung, CO₂ oder Mykorrhiza können die Erholung unterstützen.

Tipp für Profis:
Kombiniere das Lollipopping mit einem leichten Defoliation-Run in Woche 3 der Blüte (Blätter im oberen Drittel ausdünnen), um den Lichtdurchlass weiter zu erhöhen.