Die Nutrient Film Technique (NFT) gehört seit Jahrzehnten zu den klassischen Hydroponik-Methoden und wird in der Landwirtschaft wie auch im Cannabisanbau eingesetzt. Das Prinzip ist simpel, aber wirkungsvoll: Die Pflanzen stehen nicht in Erde oder Steinwolle, sondern ihre Wurzeln liegen in einem flachen, kontinuierlich fließenden Wasserfilm. Dieser Film enthält alle notwendigen Nährstoffe und sorgt gleichzeitig für eine sehr gute Sauerstoffversorgung.
Unterschied zu anderen hydroponischen Systemen:
- Im Gegensatz zur Deep Water Culture (DWC) gibt es bei NFT keine stehende Nährlösung, in der die Wurzeln permanent hängen. Stattdessen sorgt der dünne Fluss für ständigen Kontakt mit Wasser, während ein Großteil der Wurzeln frei in der sauerstoffreichen Umgebung liegt.
- Im Vergleich zum Ebbe-Flut-System die periodisch fluten und entleeren, arbeitet NFT kontinuierlich – das macht die Versorgung gleichmäßiger, aber auch abhängiger von einer funktionierenden Pumpe.
- Maximale Präzision und Sauerstoff für die Wurzeln erhalten Anbauer mit dem Sprühnebel der Aeroponik. Allerdings ist diese Methode fehleranfälliger und wartungsintensiver als NFT.
Relevanz:
NFT kann im kleinen Maßstab von experimentierfreudigen Homegrower:innen genutzt werden – etwa mit wenigen Kanälen und einem kleinen Reservoir. Gleichzeitig ist die Methode für größere Produktionsflächen und sogar Cannabis Social Clubs (CSCs) interessant, weil sie modular skalierbar, platzsparend und vergleichsweise effizient ist.

Grundlagen der NFT-Methode
Prinzip: Dünner Wasserfilm statt stehender Lösung
Das Herzstück von NFT (Nutrient Film Technique) ist ein kontinuierlich fließender, sehr dünner Wasserfilm, der über die Wurzeln der Pflanzen läuft. Diese liegen in leicht geneigten Kanälen und haben so permanent Kontakt zur Nährlösung, ohne komplett im Wasser zu stehen. Dadurch entsteht ein optimaler Mix: Die Wurzeln erhalten ständig Nährstoffe und gleichzeitig reichlich Sauerstoff aus der Umgebungsluft.
Komponenten eines NFT-Systems
Ein funktionierendes NFT-Setup besteht aus wenigen, aber wichtigen Bauteilen:
- Reservoir: Tank mit Nährlösung, der die Basisversorgung stellt.
- Pumpe: Fördert die Lösung aus dem Reservoir in die Kanäle.
- Zulaufrohr: Verteilt den Nährstoffstrom gleichmäßig auf die Pflanzenkanäle.
- NFT-Kanal: Meist PVC-Rinnen oder spezielle Hydroponik-Kanäle, leicht geneigt (1–3 % Gefälle).
- Rücklauf: Leitet die Nährlösung wieder ins Reservoir zurück → geschlossener Kreislauf.
- Substrat: Minimal nötig – oft nur kleine Rockwool-Cubes, Neopren-Collars oder Netztöpfe zur Fixierung.
Zyklus: Kontinuierlicher Fluss statt Zyklen
Im Gegensatz zu Ebbe-Flut-Systemen gibt es bei NFT keine Pause und keinen Stau: Die Wurzeln liegen ständig im dünnen Fluss und nehmen Wasser & Nährstoffe nach Bedarf auf. Ein Trockenfallen ist bei funktionierender Pumpe ausgeschlossen, gleichzeitig hat jede Wurzel viel Raum für Sauerstoff.
Vorteile und Nachteile im Überblick
Vorteile
- Sehr sauerstoffreiche Wurzelzone – Durch den dünnen Wasserfilm liegen die Wurzeln teilweise frei und können gleichzeitig Sauerstoff aus der Luft und Nährstoffe aus der Lösung aufnehmen → extrem schnelles Wachstum.
- Effiziente Nährstoffnutzung – Der kontinuierliche Fluss minimiert Verluste, Wasserverbrauch ist geringer als bei Erde oder Ebbe-Flut.
- Geringer Substrateinsatz – Pflanzen werden oft nur in kleinen Rockwool-Cubes oder Neoprenringen fixiert, keine schweren Töpfe oder große Substratmengen nötig → kostengünstig und einfach zu handhaben.
- Flexibilität – Ideal für Stecklinge und Jungpflanzen, kann aber auch problemlos bis in die Blüte geführt werden.
Nachteile
- Pumpenausfall = sofortiges Risiko – Da die Wurzeln nicht in Substrat eingebettet sind, trocknen sie bei Pumpenausfall innerhalb weniger Stunden aus.
- Empfindlich gegenüber Verstopfungen – Schmutz, Biofilm oder Luftblasen im Fluss können den dünnen Nährstofffilm unterbrechen → Wurzeln trocknen stellenweise aus.
- Weniger Puffer – Im Vergleich zu Erde oder Kokos puffert das System kaum, Fehler in pH oder EC wirken sich direkt auf die Pflanze aus.
- Hygiene – Die Kanäle müssen regelmäßig gereinigt werden, um Algen und Biofilm zu verhindern.
Für wen geeignet?
- Anfänger:innen: Bedingt – wer Hydroponik-Neuling ist, sollte sich bewusst sein, dass pH- und EC-Kontrolle Pflicht ist.
- Fortgeschrittene: Sehr gut geeignet, da Erfahrung mit Sensorik und Wasserwerten eine saubere Steuerung erlaubt.
- Cannabis Club: Effizient und modular skalierbar – große Flächen lassen sich mit parallelen NFT-Kanälen bewirtschaften, weniger Wasserverbrauch bei hoher Produktivität.
Nährstoff- und Wasserparameter
pH-Wert
- Optimal: 5,5–6,2
- Hinweis: Der pH sollte enger überwacht werden als in Erde, da Schwankungen schnell durchschlagen. Viele Grower:innen lassen den pH leicht zwischen 5,6–6,0 driften, um alle Nährstoffe verfügbar zu halten.
EC-Werte je Phase (leicht niedriger als in DWC)
Phase | EC (mS/cm) | Hinweise |
---|---|---|
Keimlinge | 0,3–0,6 | Sehr schwach, evtl. nur Wasser + Root Stim. |
Vegetation (früh) | 0,8–1,2 | Langsam steigern, Blätter genau beobachten. |
Vegetation (fortg.) | 1,2–1,6 | Starker Wuchs, Stickstoffbedarf hoch. |
Blüte (früh) | 1,6–2,0 | Mehr Phosphor & Kalium, gleichmäßiger Fluss wichtig. |
Blüte (Peak) | 1,8–2,2 | Maximalwerte, stark sortenabhängig. |
Spülphase | < 0,4 | Nur Wasser oder leicht gepuffert. |
Da die Wurzeln der Cannabispflanze konstant von einer Nährstoffschicht umspült werden, reicht oft ein 0,1–0,2 mS/cm niedrigerer EC als bei DWC.
Wassertemperatur
- Optimal: 18–20 °C
- 22 °C: Gefahr von Sauerstoffmangel, Pythium.
- < 16 °C: verlangsamte Nährstoffaufnahme.
Flussgeschwindigkeit & Filmstärke
- Dünner Film (1–2 mm) über den Wurzeln → gleichmäßiger Kontakt, ohne Staunässe.
- Zu starker Fluss = „Überschwemmung“, Sauerstoffaufnahme sinkt.
- Zu schwacher Fluss = Austrocknen an einzelnen Stellen.
Sauerstoffversorgung
- Durch die Bewegung des Films bereits hoch, dennoch:
- Belüftung des Reservoirs (Luftsteine + Pumpe) dringend empfohlen.
- Mehr Sauerstoff = gesündere, dichtere Wurzelmasse.
Aufbau eines NFT-Systems
Hobby (1–3 Pflanzen)
Für kleine Setups oder Testläufe reicht eine sehr einfache NFT-Anlage:
- Kanäle: 40–60 cm Länge, aus PVC-Rinnen oder fertigen NFT-Trays.
- Reservoir: 20–30 L, lichtdicht und lebensmittelecht.
- Pumpe: kleine Aquarien- oder Teichpumpe, die die Lösung kontinuierlich in den Kanal fördert.
- Neigung: 1–3 % Gefälle, damit der Film gleichmäßig zurück ins Reservoir läuft.
- Einsatzbereich: ideal für Stecklinge, Jungpflanzen oder max. 2–3 kleinere Blütepflanzen.
- Wartung: Reservoir wöchentlich reinigen, pH/EC täglich kontrollieren.
Clubs (größere Anlagen)
Für Social Clubs wird NFT zu einem präzisen, skalierbaren System im Growroom:
- Kanäle: mehrere Meter lang, in Tischen oder Regalsystemen verbaut, oft modular erweiterbar.
- Reservoir: 200–1000 L, zentrales Steuerbecken für alle Kanäle.
- Pumpen & Umwälzung: starke Pumpen für kontinuierlichen Fluss, kombiniert mit Luftsteinen oder Sauerstoff-Injektoren im Tank.
- Sensorik: pH-, EC-, DO- (gelöster Sauerstoff) und Temperatur-Sensoren mit Cloud-Logging, Trendanalyse und Alarmfunktion.
- Hygiene & GMP: CIP-Systeme (Cleaning in Place), validierte Reinigungsprotokolle, mikrobiologische Tests → Pflicht in professionellen Strukturen.
- Redundanz: doppelte Pumpen und Notstromversorgung, um Ausfälle abzufangen.
Schritt-für-Schritt-Anbauanleitung im NFT-System
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Vorbereitung
- Reservoir reinigen: Vor jedem neuen Durchgang das Becken gründlich mit H₂O₂ oder Peressigsäure spülen, um Keime und Salzreste zu entfernen.
- Nährlösung ansetzen: Dünger exakt nach Herstellerangaben mischen, pH auf 5,5–6,2 einstellen, EC je nach Phase anpassen.
- Fließgeschwindigkeit testen: Pumpe einschalten und prüfen, ob ein gleichmäßiger, dünner Nährstofffilm durch den Kanal läuft. Keine Pfützen oder „trockenen Zonen“ zulassen.
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Einsetzen
- Pflanzen vorbereiten: Stecklinge oder Sämlinge in kleinen Netztöpfen, Steinwollewürfeln oder Neopren-Collars fixieren.
- Platzierung: Töpfe in die vorgesehenen Öffnungen der Kanäle setzen.
- Wurzelkontakt: Anfangs sicherstellen, dass die Wurzeln den Wasserfilm erreichen. Notfalls Wasserstand so lange leicht erhöhen, bis die Wurzeln hineinwachsen.
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Wachstumsphase
- pH-Kontrolle: täglich messen und bei Abweichungen sofort korrigieren.
- EC-Wert: langsam von 0,8 auf 1,6 mS/cm steigern, je nach Größe der Pflanzen.
- Fluss beobachten: darauf achten, dass der Film gleichmäßig bleibt, ohne dass sich Staunässe bildet.
- Reservoir-Wechsel: alle 7–10 Tage komplett erneuern, um Salzaufbau und Keimbelastung zu verhindern.
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Blütephase
- Nährstoffanpassung: EC zwischen 1,6–2,0 mS/cm, Fokus auf Phosphor und Kalium.
- Fließgeschwindigkeit: ggf. leicht erhöhen, da die Pflanzen mehr Nährstoffe und Sauerstoff benötigen.
- Kontrolle intensivieren: pH und EC täglich dokumentieren. Temperatur des Wassers konstant bei 18–20 °C halten.
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Spülphase
- Zeitpunkt: 7–14 Tage vor der Ernte beginnen.
- Vorgehen: Nur noch klares Wasser mit EC < 0,4 durch die Kanäle leiten.
- Ziel: Nährstoffreste aus den Pflanzen spülen → sauberere Blüten und besseres Aroma.
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Ernte & Reinigung
- Ernte: Pflanzen vorsichtig aus den Kanälen ziehen, Netztöpfe mit Wurzeln entfernen.
- Reinigung: Kanäle und Reservoir vollständig entleeren, mit H₂O₂ oder Peressigsäure spülen.
- Desinfektion: auch Schläuche und Pumpen reinigen. Biofilm sofort entfernen, um Keimen im nächsten Zyklus vorzubeugen.
Häufige Probleme & Troubleshooting
Trockenfall der Wurzeln
- Ursache: Pumpenausfall oder verstopfter Zulauf → die Wurzeln haben sofort keinen Kontakt mehr zum Nährstofffilm.
- Symptome: Blätter hängen innerhalb weniger Stunden, Wurzeln beginnen auszutrocknen.
- Lösung:
- Backup-Pumpe bereithalten oder gleich redundant einbauen.
- Alarmsysteme nutzen (Sensor → Push-Nachricht bei Pumpenausfall).
- Regelmäßig die Pumpe auf Durchfluss testen.
pH-Drift
- Ursache: fehlende Pufferung im Reservoir oder ungleichmäßige Nährstoffaufnahme.
- Symptome: pH-Wert steigt über 6,5 oder fällt unter 5,0 → Cannabis Mangelerscheinungen (z. B. Eisenchlorose bei hohem pH).
- Lösung:
- pH täglich messen, ggf. mit pH-Up/pH-Down korrigieren.
- Kleinere, häufigere Wasserwechsel (statt seltene große).
- Bei hartem Leitungswasser: Umkehrosmose nutzen.
Biofilm & Algen
- Ursache: Licht dringt in die Kanäle oder das Reservoir ein → Mikroorganismen vermehren sich.
- Symptome: glitschige Ablagerungen, grüne Algenränder, pH-Schwankungen.
- Lösung:
- NFT-Kanäle und Reservoir lichtdicht bauen (schwarzes PVC oder Abdeckungen).
- Wöchentliche Reinigung mit H₂O₂ oder Peressigsäure.
- Keine organischen Dünger im NFT nutzen → fördern Biofilm.
Ungleichmäßiger Fluss
- Ursache: Kanäle nicht gleichmäßig geneigt oder verstopft.
- Symptome: Pfützen oder trockene Stellen im Kanal → einzelne Wurzeln stehen zu nass oder trocken.
- Lösung:
- Kanäle mit 1–3 % Neigung installieren (1–3 cm Höhenunterschied pro Meter Länge).
- Regelmäßig auf Ablagerungen prüfen und spülen.
- Zuläufe sauber halten, Pumpendruck kontrollieren.
Integration in Clubs & Profianlagen
Automatisierung
- Sensorik & Steuerung: pH-, EC- und Temperatur-Sensoren, gekoppelt an eine zentrale Software.
- Cloud-Logging: Alle Parameter werden kontinuierlich in der Cannabis Social Club Software erfasst und dokumentiert.
- Pumpensteuerung: Zyklus und Durchfluss lassen sich automatisiert regeln; bei Abweichungen (z. B. sinkender Fluss) werden Alarme ausgelöst.
- Fernzugriff: Verantwortliche können per Smartphone oder PC auf das System zugreifen und Anpassungen vornehmen.
Redundanz & Ausfallsicherheit
- Doppelpumpen: Haupt- und Backup-Pumpe im Umlauf.
- Notstromversorgung: USV für Sensorik, Pumpen und Steuerung; bei größeren CSCs zusätzlich Diesel-/Gas-Notstrom.
- Modulare Kanäle: Mehrere kleinere NFT-Stränge anstelle eines langen Systems – so ist bei Ausfall nur ein Teil betroffen.
Hygiene & GMP-Aspekte
- Reinigung: Kanäle, Schläuche und Reservoirs nach jedem Zyklus mit H₂O₂ oder Peressigsäure spülen.
- Validierung: Dokumentation, dass alle Kanäle gleichmäßig durchströmt sind.
- Audit Trail: Jede Anpassung (EC-/pH-Korrekturen, Wasserwechsel) wird erfasst.
- Mikrobiologische Tests: Regelmäßige Probenahmen (Keimzahl, Biofilm-Screening).
- CIP-Systeme: Cleaning-in-Place-Technik für große Club-Anlagen → Reinigung ohne Demontage.